Ein Mannschaftssieg, bei dem keine richtige Freude aufkommt ...
Es war wohl eher eine Begegnung der weniger angenehmen Art:
Wer mich kennt, der weiß, dass ich als Mannschaftsführer eigentlich immer darum bemüht bin, bei unseren Verbandsspielen eine freundschaftliche und entspannte Atmosphäre herzustellen.
Bei unserem Heimspiel am vergangenen Samstag gegen Möhringen sollte mir das nicht wirklich gelingen: schon die Begrüßung war weniger freundlich als gewohnt, hatte doch die Gastmannschaft von der ungünstigen Lage des Spielorts mit weit entfernten Parkplätzen, dem Treppensteigen, der fehlenden Nummerierung der Bretter, usw. an vielem etwas auszusetzen.
Knackpunkt war dann aber die Frage, wie die beiden sehbehinderten Spieler von Möhringen an dieser Begegnung teilnehmen würden.
Vor der Saison hatte Klaus Fuß als Bezirksspielleiter besonders auf die diesbezüglichen Regeln hingewiesen (Mitführen eines zweiten, speziellen Brettes, Notationsmöglichkeit und -pflicht für den sehbehinderten Spieler, ggfs. ein Assistent, der diesen Spieler unterstützt ...), denn beim letzten Bezirkstag hatte es Diskussionen und Beschwerden zu diesem Thema gegeben.
Meine Frage, wie die Möhringer Spieler gedachten, diese Regeln anzuwenden, wurde barsch " abgebügelt": Man spiele schließlich schon immer so, warum wir (ich) mich jetzt so anstellen, warum wir (ich) den "armen Behinderten" jetzt solche Schwierigkeiten machen, ...
Zugegeben stellte ich jetzt auch "stur", zumal ich gegen den Möhringer Spieler antreten sollte, der offenbar vollkommen blind ist, somit seine Züge ohne spezielles Brett nicht selber ausführen kann, die Partie ohne geeignete Hilfsmittel nicht notieren kann, und auch keinen Assistenten an seiner Seite hatte. Somit wird erwartet dass der Gegenspieler alle Aufgaben übernimmt - beispielsweise mit der Konsequenz, das Brett praktisch nur bei eigener laufender Uhr verlassen zu können, da er ja sonst die Züge des Gegenübers abwarten und ausführen muss.
Auf meine Ankündigung, dass ich unter diesen Umständen nur "unter Protest" spiele, bzw. dass wir uns einen Protest vorbehalten, wollte mein Gegegnüber diese Partie nicht mehr antreten, was uns den ersten - sozusagen kampflosen - Punkt einbrachte.
Ein Punkt, der keine Freude macht - aber ich bleibe bei meiner Meinung: Möhringen macht es sich sehr leicht mit der Haltung, die Regeln nicht beachten zu müssen, und versucht dann bei Uneinigkeit in dieser Frage, dem Gegner den "schwarzen Peter" zuzuschieben.
Nebenbei sei erwähnt, dass sich Rainer Bohn an Brett 8 damit einverstanden erklärte, dass sein sehbehinderter Gegenüber - der seine Züge selber ausführen und die Stellung erkennen konnte - die Partie nicht mitnotieren müsse. (Als Schiedsrichter habe ich vorsorglich darauf hingewiesen, dass dann im Streitfall die Notation unseres Spielers das einzige "Beweismittel" ist)
Der Rest der Begegnung ist schnell erzählt: Rainer Bohn gewann mit einem sehenswerten Angriff seine Partie, und auch Viktor Ryzkov konnte in einer schon remis geglaubten Stellung im Endspiel noch gewinnen. Vier weitere Remispartien von Ralph Prinz, Kai Föst, Erhard Süss und Gerhard Gulde brachten dann den 5.3-Endstand aus unserer Sicht. Und für uns war es wichtig, etwas Zählbares aus dieser Begegnung mitzunehmen, um nicht am Ende der Saison womöglich auf einem (im Vorfeld nicht klar erkennbaren) Abstiegsplatz zu stehen.
- Andreas von Huene -