Der Abschlussbericht

Von Felix Hermann


Samstag, 3. August

Am Samstag war es endlich Zeit, unsere lang ersehnten Gäste in Frankfurt abzuholen.

Mit zwei PKWs nahmen wir den langen Weg auf uns. Nach einer kurzen Vorstellungsrunde ging es mit Lunchpaketen gestärkt zurück Richtung Balingen. Am alten Landratsamt warteten schon alle Gastfamilien gespannt auf die Ankunft der japanischen Delegation. Nach einer kurzen Begrüßungsrede unseres 1.Vorsitzenden Herbert Reuß wurden unsere japanischen Gäste in ihre Gastfamilien aufgeteilt, um dort ein kleines Mittagessen zu sich zu nehmen und ihre Zimmer einzurichten.

Nachmittags stand eine Stadtführung in Balingen auf dem Programm. Diese war nicht nur für unsere Gäste spannend, auch für uns Balinger gab es viel Neues zu hören und lernen. Einen ganz besonderen Abschluss der Stadtführung stellte das Erklimmen des Kirchturms dar, und der anstrengende Aufstieg wurde mit einem wunderbaren Blick über die ganze Stadt belohnt.

Anschließend ging es weiter zu „Guldes Gartenfest“, das seit Jahren traditionell jeden Sommer vom Schachverein ausgetragen wird. Durch Grillen mit den Vereinsmitgliedern und den Gastfamilien und gemeinsamen Sport wurde die anfängliche Schüchternheit schnell abgelegt und die Sprachbarrieren überwunden.

Alles in allem kann man wohl durchaus sagen, dass wir bei Guldes Gartenfest einen perfekten Start in den Austausch hatten und so schon der erste gemeinsame Abend in Erinnerung bleiben wird.

Sonntag, 4. August

Morgens besuchten wir die Burg Hohenzollern, das Wahrzeichen der Zollernalb. Nach einem Fußmarsch hoch zur Burg konnten wir zunächst die tolle Aussicht bewundern, bevor wir uns das Schloss von innen ansahen. Wir sahen den preußischen Stammbaum, die Waffenkammern, die preußische Königskrone sowie die evangelische und katholische Kapelle.

Der Mittag war zur freien Verfügung in den Familien eingeplant. Die Gastfamilien Gmelin, Bohn und Hermann fuhren gemeinsam ins Badkap, eines der größten Spaßbäder in der Region. Wir machten dort Wettrutschen, schwimmen, Wasserball, Wellenreiten und vieles mehr.

Nach vier Stunden waren wir schon ziemlich müde vom vielen Herumtoben und trafen uns mit den daheim Gebliebenen, um auf den Lochenstein, unseren Hausberg, zu wandern. Oben machten wir ein Picknick mit selbstgemachter Pizza und Flammkuchen. Den Japaner gefiel der Sonnenuntergang mit Blick Richtung Schwarzwald sehr.

Montag, 5. August

 

Auch heute waren wieder einige Gastgeschwister aus den Familien dabei. Zudem hatten wir hohen Besuch aus Berlin. Jörg Schulz, Geschäftsführer der deutschen Schachjugend, wollte sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, unsere japanischen Gäste einen Tag lang zu begleiten. Unser Stadtführer erklärte uns die Geschichte von Tübingen und unser Dolmetscher Gunnar Kieß tat sein Bestes, den "Gang nach Canossa" und die "Reformation" für unsere asiatischen Gäste in den geschichtlichen Zusammenhang zu setzen.

Zum Mittagessen gab es Currywurst mit Pommes und Jörg meinte, dass die Tübinger Version sich nicht hinter einer Berliner Currywurst verstecken müsste. Begleitet von einer Studentin der Japanologie hatten wir zwischen Mittagessen und Stocherkahnfahrt eine knappe Stunde, um Tübingen selbst zu erkunden und die Zeit für Eis essen und Postkarten kaufen zu nutzen.

Die Stocherkahnfahrt war auch für einige Balinger eine Premiere. An der romantischen Neckarfront entlang genossen wir bei bestem Wetter den Schatten der Bäume und den tollen Blick. Auf dem Hinweg erzählte uns unser Fahrer Klaus vom jährlichen Stocherkahnrennen und auf dem Rückweg durften sogar einige von uns selbst den Stocherkahn fahren.

Der Tübinger Anlagensee war anschließend der perfekte Ort, das diesjährige Jahresthema zu behandeln. Im Schatten sitzend wurde erzählt, zugehört und gelernt. 

Abends gab es als freiwilligen Programmpunkt noch die Möglichkeit am Volleyball- und Fußballabend des Schachvereins Balingen teilzunehmen. Es waren alle Gäste dabei, und es zeigte sich, dass unsere Japaner nicht umsonst Sportler sind. Wesentlich präziser und kraftvoller als viele ihrer deutschen Gastgeschwister stellten sie eine richtige Bereicherung für unseren Spielabend da.

Nach dem Training lud unser ehemaliger Jugendleiter Gerhard Gulde noch alle Sportler zum Eis essen in die Stadt ein. 

Dienstag, 6. August

Morgens stand der Besuch bei Herrn Reitemann, dem Oberbürgermeister der Stadt Balingen an. Er freute sich, dass die Stadt Balingen die Ehre hat unsere Gäste aufzunehmen und dass der Austausch ein wichtiger Beitrag zur Völkerverständigung sei. Als Geschenk der Stadt Balingen überreichte er jedem Mitglied der japanischen Delegation ein T-Shirt und eine Kappe mit dem Motiv der Stadt Balingen. Der Leiter der japanischen Gruppe bedankte sich für die Gastfreundschaft in Balingen und berichtete von seinen guten Erfahrungen bei seinem letzten Austausch vor 28 Jahren und überreichte Herrn Reitemann ein Präsent.

Den Mittag verbrachten wir in der Nähe von Neuhausen ob Eck auf der Schwäbischen Alb. In einer Gaststätte aßen wir mit Linsen, Spätzle und Saitenwürstchen eine Spezialität der Schwäbischen Alb, bevor wir ins Freilichtmuseum gingen. Dieses besteht aus mehreren historischen Gebäuden aus der Region, die dort originalgetreu wieder zusammengebaut wurden.

Zu den Gebäuden zählen eine Mühle, eine Kirche, eine Schule, eine Sägemühle, ein alter Dorfladen und noch mehrere andere handwerkliche und landwirtschaftliche Gebäude, wodurch unsere asiatischen Gäste einen Eindruck vom bäuerlichen Leben in Deutschland vor der industriellen Revolution bekamen.

Pünktlich mit dem Ende der Führung gab es ein heftiges Gewitter, das erst wieder aufhören wollte, als wir in Balingen an der Sparkassen Arena aus dem Auto stiegen. Der Handball-Erstligist HBW Balingen-Weilstetten hat uns zu seinem Training eingeladen. Während sich die Profis aufwärmten, beantworteten uns drei verletzte Spieler (Fabian Böhm, Manuel Liniger und Matthias Puhle) Fragen über Handball und den HBW.

Sie ließen sich auch gerne zusammen mit den japanischen Gästen ablichten und gaben Autogramme. Nach Ende des Trainings durften wir aufs Spielfeld und unser Glück im 7-Meter Wurf gegen einen echten Bundesligatorhüter versuchen. Einige Bälle landeten sogar im Netz. Danach gaben auch die anderen Profis noch gerne Autogramme, worunter sogar drei deutsche Nationalspieler waren.


Mittwoch, 7. August

Sportabzeichen: Nachdem es die Nacht über geregnet hatte, hörte es pünktlich zum Sportabzeichen wieder auf. Zusammen mit zwei Balinger Schächern nahmen die sechs japanischen Sportler die vier Disziplinen in Angriff. Erwähnenswert ist vor allem die herausragende Leistung von Taishi Miura, der mit 66 Metern beim Weitwurf knapp an einem Kreisrekord vorbeischrammte!

Vor allem die Wurfdisziplinen und das Langdistanzschwimmen erwiesen sich allerdings für viele als zu hohe Hürde, sodass am Ende nur Miku Uchida und Armin Tächl ihr Sportabzeichen bestehen konnten. Man merkte den Japanern allerdings den Spaß am Sport und den Ansporn, das Abzeichen bestehen zu wollen, an.

Nach einem gemeinsamen Mittagessen besuchten wir die Kunstausstellung „Erich Heckel – Der große Expressionist“ in der Stadthalle Balingen. Vor allem das Bild „Tübingen“ auf dem die Neckarfront zu sehen war, die auch wir am Montag vom Stocherkahn aus gesehen haben, fand Interesse.

Abends gab es noch einen weiteren freiwilligen Programmpunkt : das Konzert von „Sugar and the Candyband“ auf dem Balinger Marktplatz. Selbst wenn die Hits der 50-er und 60-er nicht unbedingt die Hits dieser Generation sind, war die Stimmung trotzdem sensationell gut, und es wurde ausgelassen zur Musik getanzt.

Donnerstag, 8. August

Im Landhotel „ Zur Schwane“ im Stadtteil Engstlatt traf man sich morgens zum Schach spielen. Dabei zeigte sich, dass die japanischen Gäste sich wegen des ähnlich funktionierenden "Shogi", dem japanischen Schach, auch mit der europäischen Ausführung dieses Spiels leicht taten. Für Nicht-Vereinsspieler spielten sie schon sehr gut.

Direkt im Anschluss an das Schachtraining ging es dann in die Backstube der Bäckerei Koch. Ausgestattet mit Schürze und Mütze wurden alle Anwesenden in die hohe Kunst des Brezel Backens eingewiesen. Am Ende landeten jedoch nicht nur Brezeln im Ofen, die große Menge Teig und der Spaß beim Backen regte bei allen die Kreativität an.

Nach einem zünftigen Weißwurstmittagessen und einem Fotoshooting in Dirndl und Lederhosen ging es in die Gastfamilien, um dort deutsch zu kochen bzw. zu backen. Mit Hilfe unserer Gäste entstanden so Nudelsalat, Kartoffelsalat, Fleischküchle, Nussschnecken und Zwetschgenkuchen.

Nachdem unsere japanischen Gäste ihre Koffer für die Weiterfahrt nach Duisburg gepackt hatten, konnte die Sayonara-Party in unserem Spiel- und Trainingslokal Zollernschloss steigen. Vor über 30 Gästen bedankten sich Organisatorin Lilli Hahn und unser erster Vorsitzender Herbert Reus bei dem Organisationsteam, den Gastfamilien, unserem Dolmetscher Gunnar Kieß und unseren Gästen aus Japan für den reibungslosen Ablauf dieser fantastischen Woche.

Der Gruppenleiter der japanischen Delegation Osamu Yoshida dankte in seiner Rede dem Schachverein Balingen und ganz besonders den Gastmüttern. Anschließend wurde das leckere, am Nachmittag zubereitete Essen verspeist und die Zeit bis zur Präsentation der japanischen Delegation für deutsch-japanische Schachduelle genutzt.  

Freitag, 9. August

Heute war der Tag der Weiterreise. Als Geschenk der Deutschen Schachjugend überreichten wir den Japanern ein T-Shirt, USB-Stick und Pin der DSJ. So schwer der Abschied für uns auch war, so tröstet die Hoffnung auf ein Wiedersehen, egal ob in Deutschland oder Japan.